Neue Deutsche Bodensatzbibliothek: aus Band 117

eine stadt des aida

ein wäscheschrank, ich ziehe den vorhang, angebracht an einer messingstange, zurück, der vorhang ist zweiteilig an messingringen befestigt, unverhüllt, eine Stadt erhebt sich, in der tiefe, kulissen von aidafaltungen, wellenplessierte straßendecken, unterbrochen von grobgrauen kanevagullys, tief in den straßenschluchten, durch die korsen wälzt sich die sonne, eine ältliche metze und kokette kokotte, die sich in dem oft stumpfen, nur erdbraunen aidastoff nicht spiegeln kann, kein gewölbe aus spiegelglas wirft den schein der alten fellatrix zurück, keine stadt für sophistiker, eine trockene stadt, nie nebeln schwitzschwaden der angst, nur eine rauchige, dürre furcht zerrt sonnenüberhitzt an den perlgarnkreuzgestickten hausfassaden. die mittägliche helligkeit springt über die gewalmten und gepulteten dächer, wie unfarbenzebras durch die spannstichsavanne. nach oben genähte stablinien, verloren wirken sie in dem baumlosen land, im großen außenrund, vor den turmtoren von aida, sattaigagrüngarngestickt. ja möchtet ihr in dieser stadt leben, mietskästen, fabriken, warenhäuser, bürogebäude, handzeichen menschlicher lebensumstände, kurzweil des haders, tätlichkeiten, stechen und häkeln sich durch den stramin, zwei faden in der höhe, zwei faden in der breite, gebündelte stelzigschlagschatten. ursprünge des narritiv unheimlichen, das nachmittägliche sonnenlicht flirrt ohne zu gleißen über die klappläden, giebel, loggilen, fensterkreuze, ohne irisierendunruhe, kein changieren, trotz strenggliederung, die wehenden, gelblichen nesselfassaden zerflattern durch die unscharfumrisse der häkelkanten, schlucken das licht, es verliert sich hinter dunkelvioletten zinnenformmustern, fensterkreuzgroße kreuzstiche, die rhythmisierte masse, blockhaft ausgewogen, in abgestimmten verbundenen randlinien entwickeln sich die fensterkreuze zu einer abfolge von minuskeln, ohne menschliche verweise.der frischbrisenbewegte, flatternde kongressstoff läßt das serielle in dem fatamorganaminuskelfries zurücktreten, was würde euch in dieser stadt halten?
das spiel haftet auf langen kurbelgestickten glatten leinentüchern, auf schnittmusterbögen, rechtwinklig und geometrisch bestimmbarer formen, schnittsalat gegenläufiger regeln, der durch perlgarnstickereien häuser, verkehrsschilder, wassertürme, straßenbahnschienen, elektromasten eint, auf den randmustern groben baumwollstoffes entlang winden sich die gitter der gärten, handgenähte einfriedungen, die die innenhöfe, vorhallen, terrassen gliedern, auf denen in damast gehüllte grabsteine ruhen, es sind keine feindlich gefährlich gebärende viertel, eher einfältig, stumpflichtschluckend. in dieser stadt sehe ich reichlich gestricktmenschen mit fadenhaaren, mattgrün, tertiärfarbig, sepia, umbra, bister. die aidagrundmuster wallen unter den fußen, der tempolauf der faden bestickten an den beampelten stichkreuzungen läßt die violetten tulpenstraußmuster bis an den rand der schwarzbraunen plüschränder wuchern, geraden die faden bestickten aidamenschen instauziehen, in zwirntätlichkeiten auf den flanierbandbürgersteigen, auch auf den randmusterbordsteinen verändern sich die farbkreuzstiche in zornighalbblau und zornighalbrot. das dauert so lange bis ein schub das knurren durch friedfertigkeit freisetzt, würdet ihr euch in dieser stadt zurechtfinden?
eine ungeheuere zusammenrottung, ein gewusel. bei stürmischen winden ficken die krapplackfarbenen und gotikgoldenen aidafäden auf breitausgelegten javastreifen einer ornamentierten tramway. wenn die tramway in den aidakreisel, in die stickstoffovale abbiegt, grillenschreie, das gelb erglüht zum rot und wandert an den verstricktgesticktstämmen hinauf unter den nahen himmelbaldachin. querbalken und sperrschilder, unvermittelt flecken olivbraun, scharlach, havannabraun auf sienafarbengrund. eine gestricktzusammengesetzte ratlosigkeit. des nachts leckt der wind leise den vom neumond angestrahlten weißen atlas. straßenlaternen, wie überstickte melonen, leuchten den faulen pilzen, die sich durch die gedeckte matte hachein und sich in schönen ärschen verstecken, grabstellen für verfaulte pilze. die dunkelheit fällt auf das auf graues leinen gestickte katzenkopfpflaster, der verkehr, die fadengestickten, alles zieht sich zurück in das uhrengehäuse des rathauses, in das federhaus, zwischen ankerrad, unruhe und aufzugsrad. morgen, ein neuer tag, ein tag des lumpens, tag land der arbeit, mit gelben weizenkreuzstichen und gelbbraunen maiskreuzstichen, mit punktmull bezogen, auf einer langen langettenreihe, schlingenstiche zum befestigen von stoffrändern.
welcher anlass, welche gestickterfahrung, wir treffen uns in der stadt, hinter dem wäscheschrank.

wh